Erkenntnisgewinn

 

Die Beschäftigung mit der Geschichte meiner eigenen Familie hat unglaublich vieles zutage gefördert, was mir bislang gänzlich unbekannt war. Was meine eigene Person anbetrifft, so ist es in erster Linie die Feststellung: 

 

Mehr Grafschafter geht nicht.

 

Der älteste bislang bekannte Vorfahr in direkter Linie - Wilhelm in gen Averdunk - dürfte um 1420 geboren worden sein (verstorben 1475). In indirekter Linie ist als ältester Vorfahr Ritter Godefried Brant de Barle zu ermitteln gewesen, der 1331 verstarb.

 

Etliche Straßen in dieser Gegend tragen die Namen meinen Vorfahren und sogar ganze Stadtteile (Achterrathsfeld, Atrop) sind mit meinen Ahnen in Verbindung zu bringen.

 

(Auszugsweise)

 

Moers

 

 

Achterrathsheideweg

Am Achterrathshof

Am Fonderschen

Averdunkshof

Bendmannstr.

Drinhausstr.

Germendonkskamp

Heiermannsweg

Heisterweg

Im Bruckschefeld

 Im Schroersfeld

Parsickstraße

Tirgrathsfeldweg

Zum Ueltgesforthhof

 

Neukirchen-Vluyn

 

Averdunksweg

Bohnenweg

Fürmannsheck

Fürmannstr.

Heymannshof

Londongstr

Neenrathstr.

Oestermannstr.

Plankendicksweg

Roosenstr.

Springenweg

Tersteegenstr.


Bei meinem Erkenntnisgewinn handelt es sich jedoch nicht nur um das reine Faktenwissen, sondern auch um eine emotionale Bereicherung. Das Gefühl, eine etwa 200-jährige originale Heiratsurkunde der Ur-Urgroßeltern in Händen zu halten, ist einzigartig. Sie ist das sichtbare Zeugnis dafür, dass es auch diese Verbindung geben musste, damit es zur eigenen Existenz kommen konnte. Die Gegenwärtigkeit der Vergangenheit (ich bitte um Nachsicht für dieses Paradoxon) ist kaum anders in dieser Unmittelbarkeit zu erleben, als in dieser Arbeit in den Stadtarchiven.

 

Es spielt dabei nicht wirklich eine Rolle, dass vermutlich die Unterschriften von den Eheleute nicht selbst geleistet wurden. (Üblicherweise verzeichneten die Beamten zwar, dass sie ersatzweise für das Brautpaar unterschrieben, wenn die Betreffenden des Schreibens nicht mächtig waren. Dieser Hinweis fehlt bei der Urkunde, doch bei den angegebenen Berufen – Ackerer und Dienstmagd- ist davon auszugehen, dass sie nicht selbst unterschreiben konnten). Es reicht das Bewusstsein, dass der Wortlaut der Urkunde in den Ohren der Vorfahren geklungen hat. Auf die emotionalen Momente der Arbeit bei der Ahnenforschung komme ich später nochmals zurück. Doch hier geht es zunächst mit dem Wissensaspekt erst einmal weiter:

 

Weitläufige Verwandtschaft

 

In Erstaunen versetzt hat mich, welche mehr oder minder weitläufigen verwandtschaftliche Verbindungen sich herstellen lassen, wenn man auf den Fundus der privaten Genealogien zurückgreift, die im Internet zu finden sind.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich mit diesem Medium (zugegeben mitunter sehr!) weitläufige Verknüpfungen herstellen lassen, wie:

 

Alexander von Humbold

Friedrich Engels

Konrad Duden

Gerhard Tersteegen

Franz Haniel

Carl Wilhelm Lehnkering u. a. m.

 

Erweitert man den Zirkel, so ergeben sich sogar (wenn Sie es nicht glauben wollen, hier klicken) äußerst weitläufige Verbindungen* zu Friedrich Barbarossa, Karl dem Großen und unzähligen weiteren bedeutenden Figuren der Geschichte.(von Verwandtschaft ist in diesen Fällen natürlich nicht mehr zu sprechen)

 

Wortverwandtschaft

 

Das Wort "Werder" ist vermutlich allen Fußballfreunden geläufig. Die meisten von diesen kennen jedoch nicht die Bedeutung, die nichts Anderes ist, als "Insel".  Soweit war mir das ebenfalls bereits geläufig, doch dass das Wort "Werth" den gleichen Ursprung, die gleiche Bedeutung hat, war mir bislang entgangen. Der Werthsche Hof in Friemersheim lag also auch sprachlich nachvollziebar auf einer Insel.

 


Als ich mit der Arbeit begann, hatte ich geglaubt, mich mit der Geschichte der Gegend, in der ich lebe, recht gut auszukennen, doch diese Selbsteinschätzung war nicht so ganz korrekt. Am Rande des eigentlichen Themas, der Ahnenforschung, habe ich vieles hinzugelernt und gebe mit den folgenden Stichworten auszugsweise einen Eindruck davon:

 

 

Versunkene Orte

 

Ich hatte keine Ahnung davon, dass es in wenigen Kilometern Entfernung zwei Dörfer gab, die vom Rhein fortgespült wurden. Nicht einmal die Namen waren mir bekannt. Den Begriff „Halen“ hatte ich zwar schon einmal auf einem Straßenschild gelesen, konnte damit jedoch nichts verbinden. Dabei handelte es sich einmal um eine Ortschaft, die ähnlich groß und bedeutsam war, wie die benachbarten Baerl und Homberg. Auch die Kirche hatte eine gleichartige Bedeutung und Größe, wie die Kirche in Baerl. Eine zweite, etwas kleinere Ortschaft, namens „Lindekum“ ist ebenfalls verschwunden.

 

Der Untergang des Dorfes Halen geschah (anders, als beim Nachbardorf Lindekum) keineswegs plötzlich und die Bewohner ertranken nicht in den Fluten des Rheins. Vielmehr war es ein Erosionsprozess, der einsetzte, als der Rhein seinen Lauf verändert hatte. Der neuen Belastung des Flusses hielt das Ufer, an dem sich nunmehr die Dörfer befanden, nicht stand. Der damalige Graf von Moers mahnte die Bewohner Halens und sah das Unheil kommen. Er riet ihnen, die Kirche abzubrechen und in Homberg neu aufzurichten, stieß aber auf taube Ohren.

 


Die Sturheit der Leute scheint ein markantes Merkmal dieses Menschenschlages zu sein, denn ich bin auf weitere Beispiele gestoßen. Eines dieser Beispiele betrifft ein überliefertes Briefdokument eines Adeligen, in dem er sich über die Sturheit des Fährmannes in Scherpenberg beschwert. Ein weiteres Beispiel ist das von einen Katenbesitzer in Binsheim, dessen Familie bei einem verheerenden Rheinhochwasser ums Leben kam. Jener Bauer hatte erst wenige Jahre zuvor sein Haus neu errichtet und war der Überzeugung, es würde den Wassermassen einer Überschwemmung standhalten. Das Ausmaß der Zerstörung schätzte er jedoch falsch ein und schlug deshalb alle Warnungen in den Wind. Selbst die flehenden Worte eines Nachbarn, der zu dem Haus ruderte, als die ganze Gegend bereits überflutet war, konnten ihn nicht bewegen, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Seine Frau und seine fünf Kinder ertranken und er selbst wurde im allerletzten Augenblick noch aus dem Wasser gefischt.

 

Solche und ähnlich Geschichten findet man bei den Forschungsarbeiten und vermitteln einen Eindruck von den Verhältnissen und Lebensumständen der Menschen jener Zeit.

 

 

Die Ritter von Baerl

 

Doch kehren wir nach Halen zurück, denn dieser Ort ist einerseits der Geburtsort etlicher meiner Verwandten, und dieser Ort ist ein Bestandteil der Besitzungen der der Ritter von Baerl gewesen. Die Existenz dieses Adlesgeschlechtes war mir bislang unbekannt, doch habe ich herausgefunden, dass ich selbst damit –wenn auch nicht in direkter Linie-  eng in Verbindung stehe.

 

Eine 5-fache Urgroßmutter brachte außerehelich einen Jungen zur Welt. (meinen 4-facher Urgroßvater). Jene Urgroßmutter heiratete später einen Adeligen, der in der Nachfolge der Ritter von Baerl stand. Das eigentliche Rittergeschlecht war in der direkten Erbfolge ausgestorben und es übernahm ein anderer Adelige aus dem Raum Dinslaken das Rittergut, da er mit einer Frau verheiratet war, die –wegen ihrer Verwandtschaft mit den Baerler Junkern- erbberechtigt war. Die Urgroßmutter brachte noch zwei Kinder zur Welt, deren Nachfahren ebenfalls auch heute noch existieren. Von den Besitzungen des alten Adelsgeschlechtes der Ritter zu Barle war nichts mehr vorhanden. Dieses galt auch schon damals, als die ledige Mutter diesen verarmten Adeligen heiratete. In der Heiratsurkunde meiner Urgroßmutter findet sich zum Ehemann deshalb die Berufsbezeichnung  „Tagelöhner“.

 

 

Dreifacher Kindesmord

 

Sieht man sich die Geschichte dieser Familie an, dann erfährt man, dass der Schwiegervater der oben erwähnten Urgroßmutter ein –vorsichtig ausgedrückt- schwieriger Mensch gewesen ist. Das spektakulärste Ereignis in seiner Vita, das bekannt ist, ist die Verwicklung in einen dreifachen Kindesmord. Er stand in Berlin vor Gericht, da er der Mittäterschaft oder zumindest der Mitwisserschaft bezichtigt wurde. Nachgewiesen werden konnte ihm das nicht und er wurde freigesprochen. Anders hingegen erging es der Kindesmutter, die den Mord zugab und den Schwiegervater meiner Urgroßmutter, als Vater der unehelich zur Welt gekommenen und von ihr selbst getöteten Kinder angab und zu Protokoll gab, dass er bei diesen grausamen Taten beteiligt gewesen sein soll. Sie wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Auch ansonsten hatte es die Zeitgenossen mit diesem Menschen wohl nicht leicht und vieles darüber, wie schwierig der Umgang mit ihm war, ist überliefert. Ihm die Schuld an dem ökonomischen Niedergang zuzuschreiben, ist jedoch zu kurz gegriffen, dann es spielten etliche negative Faktoren eine Rolle und eine davon ist zweifellos die, dass der Rhein, weite Teile des Landes einfach bei seiner Laufveränderung überflutete, das die wirtschaftliche Basis des Rittergutes bildete und die Existenz seiner Familie gesichert hatte.

 

Ein anderer Grund für das Verarmen der Familie sind die enormen Kontributionszahlungen, die er und sein Vater an die französischen Besatzungstruppen zahlen mussten.

Eine wirkliche Überraschung war es, den Wortlaut eines Vorfahren aus dem Jahr 1601 nachlesen zu können. Es existieren Akten zur Zeugenvernehmung des Johannen Germendonk, der von der Gräfin Walpurgis um Rat darum gefragt wurde, wie die Besitzung Burg Cracau in Krefeld zurück zu erobern sei.

Dreißigjähriger Krieg

Belagerung von Schenkenschanz 1635-1636

 

 

 

Diese Art von Belastung war kein neues Phänomen, denn auch schon während des dreißigjährigen Krieges wurden die Menschen in diesem Gebiet heftig gebeutelt. Die Zahlungen, die die „Besitzenden“ zu leisten hatten, erinnern stark an die Schutzgelderpressungen der Mafia und ruinierten in vielen Fällen die Menschen. Doch vor Brandschatzungen, Plünderungen, Verwüstungen, Mord, Totschlag und Vergewaltigungen war man dennoch nicht sicher, auch wenn man den "nachdrücklichen Forderungen" nachkam, denn das nächste Heer aus einer der anderen beteiligten Kriegsparteien wartete bereits. Alternativ dazu wüteten die Söldner auch ohne solche Versuche, sich der Habseligkeiten der Ansässigen zu bemächtigen.

 

Der dreißigjährige Krieg ist eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes gewesen und in es ist die Zeit, in der die Bemühungen von Ahnenforschern,  weiter in die Vergangenheit zu sondieren, in aller Regel enden. Unzählige Kirchenbücher verbrannten, als die Truppen auf nichts und niemanden Rücksicht nahmen. Dieses gilt für einige Landschaften ganz besonders und dieses gilt auch ganz besonders für den Niederrhein.


 

Kindersterblichkeit

 

Natürlich hat man schon viel von der großen Kindersterblichkeit gehört, die in früheren Zeiten vorhanden war. Erschütternd ist jedoch das Ausmaß, das ich in manchen Familien gefunden habe.

Ein Tilman Grouwel (*1701) war zwei mal verheiratet und hat mit seinen beiden Ehefrauen sieben Kinder gehabt. Es wurden ihm 27 Enkel geboren. Von diesen Enkeln haben 23 das Alter von 7 Jahren nicht erreicht. Bei drei Enkeln war das Sterbedatum bei der Recherche (bisher) nicht zu ermitteln gewesen. Nachweislich wurde einer der Enkel 66 Jahre alt.

 

Waren die Menschen dem Kindesalter entwachsen, so hatten sie durchaus gute Chancen alt zu werden. Bei einer anderen Familie habe ich beispielsweise ein Paar gefunden, das 8 Kinder hatte. Keines davon starb vor dem 83. Lebensjahr. Gar nicht einmal so selten war es, das die Personen auch das 90. Lebensjahr noch deutlich überschritten.

 

 

 „Universitätsstadt Moers“

 

Was mir bislang ebenfalls unbekannt war, ist die Tatsache, dass Moers unter den Folgen dieses Krieges recht gering gelitten hat. Der Grund dafür ist die –aus damaliger Sicht- moderne und effiziente Stadtbefestigung. Moers galt als sicher. Diese Stadt konnte nicht so leicht eingenommen werden, wie beispielsweise Duisburg. Dieser Umstand führte dazu, dass der berühmteste Bürger von Duisburg, der Gelehrte Gerhard Mercator zeitweise seine Vorlesungen nicht an der Duisburger Universität, sondern in Moers stattfinden ließ.

 

Linksrheinisches Ruhrort

 

Zugegeben, es geht hier im „Schweinsgalopp“ durch die Erkenntniswelt, die sich mir im Zuge der Ahnenforschung erschlossen hat. Aber es liegt mir daran, einen kurzen Eindruck davon zu vermitteln, was man an bislang Unbekanntem erfahren kann und ebenso daran, andere dafür zu interessieren, sich mit der Geschichte dieser so geschichtsträchtigen Landschaft zu beschäftigen. Solche Begebenheiten, wie das Wissen um den Umstand, dass Ruhrort und Beek früher einmal linksrheinisch waren, tragen dazu vielleicht dazu bei. Natürlich war mich nicht unbekannt geblieben, dass es auch in der Neuzeit gravierende Rheinverlagerungen gab, doch Ruhrort linksrheinsch....

Die Rheinverlagerungen, die letztenendes die Ortschaften „Halen“ und „Lindekum“ im Rhein versinken und die Ritter von Baerl und deren Nachfolger verarmen ließen, machte aus den linksrheinischen Ortschaften Ruhrort und Beek, solche, die nun rechts des Rheines lagen. Der Rhein fand sein neues Bett weiter westlich und entfernte gewissermaßen die bedeutende Handels- und Hansestadt Duisburg von ihrer wichtigsten Verkehrsader. Verbunden mit dem Rhein war die größte Stadt in diesem Bereich nur noch über die Ruhr. Dem Handel der Hansestadt Duisburg tat dieses wohl keinen Abbruch. Der Zustand, keine Stadt am Rhein mehr zu sein, änderte sich erst wieder durch den Verwaltungsakt einer Eingemeindung in der Neuzeit.

 


Ebenfalls bislang unbekannt war mir die Existenz einer mittelalterlichen Burg unmittelbar am Rhein, deren baulichen Reste erst mit der Errichtung der Eisenbahnbrücke zwischen Homberg und Baerl verschwanden. 

Bis in 19. Jahrhundert war die Burg, bzw. waren später die Reste davon noch vorhanden und erst beim Bau der Brücke abgetragen, bzw. vernichtet worden. Der genaue Standort lässt sich mit dem rechtsrheinischen Brückenkopf der Eisenbahnverbindung recht genau beschreiben.


 

Kaiserpfalz Duisburg

 

Die noch vorhandenen Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Duisburg sind noch heute deutlich sichtbar und wurden auch von mir nicht übersehen, doch was ich nicht wusste*, war, dass es in Duisburg eine Kaiserpfalz aus dem 10. Jahrunder, mit einem Vorgängerbau, einem Königshof aus dem 8. Jahrhundert  gab. (*Asche auf mein Haupt!)

 

In den Annalen des Kaiserpaares Otto II. und seiner griechischen Ehefrau Theophanu taucht der Name der Stadt Duisburg mehrfach auf. Hier in dieser Pfalz hielten sich die mächtigsten Herrscher Europas in der Zeit vor der ersten Jahrtausendwende -bei ihren Reisen durch ihr Herrschaftsgebiet- einige Male auf.

 

 

Verbindungen zwischen Echternach und Moers

 

Vielleicht ist dem einen oder anderen bekannt, dass in Moers im Bereich zwischen dem neuesten Rathaus und der Mühlenstraße die erste Kirche oder zumindest Kapelle der Siedlung stand. Es ist in etwa die Stelle, auf der heute die „Bonifatiuskapelle“ steht. Doch mit Bonifatius, dem Missionar der Deutschen, hat die Kapelle recht wenig zu tun. Bonifatius war es wohl nicht, der die damalige Kirche weihte, doch es war möglicherweise, wenn nicht gar wahrscheinlich, sein englischer Zeitgenosse, Willibrord *658 - 739), ein Abt aus Echternach, der diese Weihe vornahm. Das Datum der Errichtung der ersten Kirche in  der Siedlung in Moers ist unbekannt und die erste urkundliche Erwähnung liegt erst im 12. Jahrhundert. Das Alter ist -nach allgemeiner Annahme-jedoch bedeutend höher. Geht man davon aus, dass das Gotteshaus in der Siedlung Moers das gleiche Alter gehabt hat, wie die Kirche in Repelen, dann ist das mehr als wahrscheinlich., dass auch diese Kirche/Kapelle von Willibrord geweiht wurde.

 

Die Kirche in Repelen gehört zu den ältesten Kirchen auf deutschem Boden überhaupt. Ihre Baugeschichte reicht bis in den Übergang vom 7. zum 8. Jahrhundert Jahrhundert und wurde möglicherweise schon in vorchristlicher Zeit zu kultischen Zwecken genutzt. Auch dieses alles entzog sich bislang meiner Kenntnis, ebenso wie die Annahme, dass der Ortsname "Repelen" auf keltische Wurzeln zurückzuführen sein soll. Dass Kelten in dieser Landschaft lebten, hatte ich auch nicht gewusst, sondern angenommen, dass diese in einem viel weiter südlicheren Raum siedelten. Doch unter anderem auch ein archäologischer Fund in der Repelener Kirche deutet auf diesen Volksstamm am Niederrhein.

 

Die Repelener Kirche unterstand (so die Lehrmeinung) unmittelbar dem Kloster in Echternach. Es ist aber bei weitem nicht die einzige Verbindung, die zwischen Echternach und dem Niederrhein zu entdecken war. Hier wird es zugegebenermaßen ein wenig kompliziert.

 

Die Geschichte reicht sehr weit zurück. Um genau zu sein, ist es die Zeit Karls des Großen, und sogar noch viel weiter. Bei einer Visite Karls des Großen auf dem Werthschen Hof in Friemersheim machte Karl der Große einige seiner Besitzungen am Niederrhein, dem Kloster Werden in Essen zum Geschenk. (In den meisten Quellen wird Karl der Große als Schenkender genannt, abweichende Quellen nennen einen seiner seiner Nachfolger, "Karl der Dicke als Schenkenden.) Das Kloster Werden stand mit Sicherheit mit dem Kloster Echternach, die als Reichsabtei fungierte, in engster Verbindung und für Karl  hatte das Kloster Echternach eine hervorragende Bedeutung.

 

Noch heute kann man dem „Urkundenbuch der Herrlichkeit Krefeld und der Grafschaft Moers“ entnehmen, dass ab dieser Schenkung, zugunsten des Kloster Werden, die Abtei Werden als Lehensgeber von Bauerngütern im Bereich der Grafschaft Moers bis ins 19. Jahrhundert fungierte. Einer der Äbte des Klosters Werden wurde der erste Graf von Moers.

 

Es kann als sicher gelten, dass jener Abt (Wilhelm I.) die Gegend, die heute die Stadt Moers ausmacht, in Augenschein nahm und es ist überaus wahrscheinlich, dass dieses damit im Zusammenhang stand, dass der Rhein genau in dieser Zeit sein Bett ebenfalls verlagert hatte. Durch diese landschaftliche Veränderung stand nunmehr „Neuland“ zur Verfügung, auf das niemand ansonsten Anspruch erhob, bzw. erheben konnte. hinzu kam die „günstige verkehrstechnische Situation“, die Moers nunmehr bot, nämlich die unmittelbare Nähe zum Hauptstrom des Rheins. (Der Flusslauf folgte in etwa der Linie "Essenberger Bruch"- Asberg- Scherpenberg") Vielleicht hat auch die Überlegung eine Rolle gespielt, künftig Zölle vereinnahmen zu können, so wie es andernorts ja bereits üblich war. Schließlich bot der Platz Moers nicht nur die Wacht über den Rhein, gegenüber der Ruhr, sondern lag an der alten römischen Heer- und Handelsstraße, entlang der linken Seite des Rheines. Offenbar war die Errichtung einer Befestigung in der Nähe der alten Siedlung Moers ausreichend verlockend. Es entstanden damit die Anfänge der Moerser Schlossanlage, die damals natürlich nicht als Schloss, als repräsentativer Bau, sondern als Verteidigungsanlage angelegt wurde. Die Siedlung Moers war zwar wie erwähnt- auch schon existent, befand sich aber nicht dort, wo man heute die Altstadt ausmacht. Die Siedlung, die sich Moers nannte, befand sich vielmehr dort, wo die Kirche war und das ist eben der Ort, an dem heute die Bonifatiuskapelle steht.

 

Erst später begann die Besiedelung zwischen diesem Dorf und der Burganlage. Als die Bürger für diese Häuser, die dort entstanden waren, eine eigene Befestigung anlegten, lag das eigentliche, das ursprüngliche Moers vor den Mauern und wurde fortan Buitenderp genannt.

 

In dem Datenbestand meines Familienverbundes gibt es sogar Personen, die den Namen Buitendorp tragen. Aber ich schweife ab.

 

Damit zurück zu der Frage nach der Verbindung zwischen Echternach und dem Niederrhein:

 

Die Frage ist, wieso konnte Kaiser Karl der Große (oder einer seiner Nachfolger) die Ländereien, die später die Grafschaft Moers ausmachten, an das Kloster Werden verschenken? Und was hat das luxemburgische Echternach damit zu tun?

 

Kaiser Karl war bekanntermaßen ein Franke. Sein genauer Geburtsort ist nicht bekannt, doch einer der infragekommenden Orte ist die Bertradaburg in der Eifel, ganz in der Nähe der luxemburgischen Grenze. In seiner Zeit lag das Zentrum der fränkischen „Fürstenschaft“ auf jeden Fall im Großraum der Eifel und der Ardennen. 

 

Der Germanenstamm der Franken, genauer bezeichnet, der Saalfranken, hatten ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet wiederum am Niederrhein, in der Gegend von Dinslaken - Hüxe. Erst die Völkerwanderung veranlasste die Frankenfürsten zur (nicht ganz freiwilligen und als Suebischer Druck bekannte) Verlegung ihrer Herrschaft zum heutigen „Rheinland-Pfalz“ und nach Luxemburg. Das luxemburger Kloster Echternach wiederum galt schon vor der Zeit Karls des Großen als geistiges und geistliches Zentrum innerhalb des fränkischen Herrschaftsbereiches. Es ist deshalb nicht wunderlich, dass Willibrord, der Missionar, dem Kloster Echternach entstammte und zur Christianisierung der bislang heidnischen germanischen Stämme im östlicheren und nördlichen Bereich des Herrschaftsgebietes von Karls Vorgängern ausgesendet wurde.

 

Karl der Große war es dann (oder ein Nachfolger), der die Grafschaft Moers, die damals noch keine Grafschaft war, bei seiner Schenkung im Werthschen Hof in Friemersheim, dem Kloster Werden übertrug. Doch nochmals: Warum war er dazu in der Lage, denn auch der Kaiser konnte nur das verschenken, was er besaß. Er hatte zwar äußerst weitreichende hoheitliche Rechte als Kaiser, doch das Besitzrecht an allen Länderreien des Staatsgebildes bezeichnete dieses nicht. Ohne Grundbesitz war aber andererseits Karl der Große nicht. Die einzig logische Schlussfolgerung sollte daher lauten, dass die Frankenfürsten, die zuvor am Niederrhein ansässig waren, bereits diesen Bezirk, der nach dem Abzug der Römer vakant war, als Besitz für sich reklamierten und dass sich dieser Besitzanspruch in der Erbfolge über viele Generationen tradierte. Funde von fränkischen Gräberfeldern aus jener Epoche z. B. in den Ortschaften Moers-Eick oder Vennikel verdeutlichen die Landnahme der Franken, wie beispielsweise auch der Fund von fränkischen Siedlungsresten in Binsheim. Diese archäologischen Relikte fallen genau in diese Zeit, nach dem Rückzug der Römer.

 

So kann getrost von der Landnahme des linksrheinischen Gebietes durch die rechtsrheinischen Franken ausgegangen werden., zumal bereits zur Zeit der Römer, Germanenstämme, die mit den Franken assoziiert gewesesen sein sind, am linken Ufer des Rheins lebten.

 

Die Dauerhaftigkeit Besitzansprüch von, und die Vehemenz, mit der Besitzansprüche der damaligen Fürsten verteidigt wurden, kann man in der Chronik Fredegars über die frühen Frankenkönige nachlesen. Es ist daher plausibel, dass die rechtsrheinischen fränkischen Stammesfürsten das Gebiet, das später einmal die Grafschaft Moers werden sollte, als ihr Eigentum betrachteten. Wegen der Funktion der Reichsabtei Echternach, als administrative Zentrale in seiner weltlichen Funktion, kann die Verwaltung des Bezirks am Niederrhein von Echternach auf das Kloster Werden übertragen worden sein. Jedenfalls sind ab der Zeit Karls des Großen, die so genannten Urbaren in Werden vorhanden, die die Besitz- und Lehensverhältnisse der späteren Grafschaft Moers abbilden.

 

Geht man von der Richtigkeit dieser Überlegungen aus und zieht in Betracht, dass Karl der Große der erste Architekt eines vereinten Europas gilt, dann liegt damit der Kern, oder etwas blumig beschrieben, "das Saatkorn" Europas am Niederrhein.

 

 

 


Castell Calo

 

Bei der Beschäftigung mit den Informationen zu der untergegangenen Ortschaft Halen stieß ich auf einen weiteren, mir unbekannten Begriff. Es ist die Bezeichnung "Calo" und damit ist der Name eines Römerkastells gemeint, dessen genaue Ortsbestimmung bislang nicht gelungen ist. Sicher ist, dass das Kleinkastell zwischen Xanten und Krefeld gelegen haben muss. Die Auffassungen darüber, wie dieses zu präzisieren ist, gehen auseinander. Einiges spricht dafür, dass das Kastell auf dem Gebiet von Beeckerwerth existierte, doch andere Gründe sprechen für die Ortsbestimmung Halen. Insbesondere ist die große Nähe in der Aussprache. Sieht man sich vergleichbare Begriffe, die ihren Ursprung im Latein haben an, dann fällt auf, dass die Veränderung in Lautung exakt in diesem Fall passen würde. Es wäre dann nicht wunderlich, wenn von dem Kastell "Calo" nichts mehr augefunden werden könnte, da die Artefakte, zusammen mit dem Dorf Halen vom Rhein verschlungen sein dürften.

 

 

Besiedlungsdichte

 

Unbekannt war mir keinesweg, dass dieser niederrheinische Raum recht dünn besiedelt war. Sieht man sich alte Karten an, bekommt man schon eine Ahnung davon.

 

Was ich jedoch im den Recherchen gelernt habe, wie außerordentlich gering die Siedlungsdichte bis ins 19. Jahrhundert war.

 

So weist der Ort Rumeln beispielsweise für das Jahr 1816 eine Einwohnerzahl von 501 aus.


Informationsdichte

 

Überraschend und erstaunlich ist für mich die Fülle und der Detailreichtum an Informationen, die zu den Personen, die im Ahnenblatt vertreten sind und zu deren Lebensumständen erhältlich sind. Geschichte ist üblicherweise "Geschichte der Herrschenden" und über das Leben der einfachen Leute etwas zu erfahren, ist zumeist recht schwierig. Es stehen jedoch auch reichlich Quellen zur Verfügung, die einen Eindruck von dem vermitteln können, was diese Menschen bewegt hat und in einzelenen Fällen stößt man sogar auf konkrete Notizen zu Menschen, von denen man nicht mehr wusste, als das Geburtsdatum und die Namen der Familienmitglieder. Es sind in der Regel Informationen, die nicht positiv besetzt sind und die -hier schließt sich der Kreis- die emotionale Seite des Ahnenforschers antasten. Katastrophen, Unglücke, Krankheiten und Ähnliches sind häufiger überliefert, als die positiven Aspekte des Lebens. In der Weise hat sich, so mein Eindruck- um Grunde nicht viel verändert. Auch heute sind die Nachrichten, die man allen Medien entnehmen kann, eher übler Natur und Menschen, die die heutige Zeit in ferner Zukunft untersuchen, müssen den Eindruck erhalten, es hätte mehr oder weniger nur Schreckensnachrichten gegeben. Dass dieser Eindruck falsch ist, ist uns bewusst und wir sollten diesen Umsatnad zum anlass nehmen, nicht nur mit Schaudern auf das zu blicken, was wir an Nachrichten aus der vergangenen Zeit ermitteln. Doch wenn wir auf das blicken, was wir an Informationen bekommen, zu den Leuten, die beispielsweise von der Überschwemmungskatastrophe von 1783-84   betroffen waren, dann ist das etwas, was das Mitgefühl weckt, auch wenn wir keine Zeitgenossen sind. Anteil nehmen können wir auch an tragischen Einzelschicksalen, wie beispielsweise des Kleinkindes aus der Winkels Kate, das einem Brand zum Opfer fiel. Der schwerhörige Großvater, in dessen Obhut das Kind war, hatte es nicht verhidern können, das seine Enkelin Marie, die im Obgerschoss gelegen hatte, umkam. Das anschließende Gerichtsverfahren und die dazu erhalten gebliebenen Akten, werfen einen aussagestarken Blick auf die bescheidenen Lebensumstände der damaligen Menschen und auch auch die Gerichtsbarkeit. Solche und viele weitere Berichte verändern den Blick auf die Gegenwart. Sie lassen erahnen, unter welch glücklichen Umständen wir heute leben. Ich glaube, das ist für mich die Wichtigste Erkenntnis, zu der man im Rahmen der Ahnenforschung gelangen kann.